LESERBRIEF: Eine Schule für alle

Annelie Reißner

Artikel im WA vom 17.3.2009 "Bündnis kämpft für 'eine Schule für alle'" und vom 20.3.2009 "Bedarf für neue Förderschule"

Gerade noch forderte das Bündnis "Eine Schule für alle", das Schulgesetz an die neue Behindertenkonvention der Vereinten Nationen anzupassen, mit der weder gesonderte Förderschulen für Behinderte noch das gegliederte Schulsystem vereinbar seien (WA 17.3.2009). Da wird nur Tage später schon Bedarf angemeldet für eine weitere Förderschule in Hamm (WA 20.3.2009), obwohl dies nicht mehr zeitgemäß ist und den Vorgaben von UNESCO und OECD widerspricht.

Die Einschulung ist für jeden Menschen ein besonderer, ein großer Tag, der ihn in der Regel mit Stolz erfüllt. Nur für 12 % der Menschen, jener mit sonderpädagogischem Förderbedarf, ist sie ein Tag der Scham und der Beginn einer Schullaufbahn mit Ausgrenzung. Während "normale" Kinder ein Anrecht auf Beschulung in Nähe des Wohnorts haben und gemeinsam mit Nachbarskindern in ihrem Ortsteil aufwachsen dürfen, haben Förderkinder lange Anfahrtswege in fremde Stadtteile, fremde Städte, teilweise über Kreisgrenzen hinaus und werden ihrem gewohnten Umfeld entrissen.

PISA-Sieger Finnland ebenso wie andere europäische Länder setzen bereits seit Mitte der 70er Jahre auf Integration und Inklusion (Schöler, 2006). Dahingegen mutet das deutsche Schubladensystem mit Dreigliedrigkeit und Förderschulen an wie ein Relikt aus Zeiten der "Rassenhygiene": frühzeitig werden Kinder selektiert und ausgesondert, Bildungschancen, auch zum Erlernen der grundlegenden "Kulturtechniken", werden ihnen vorenthalten, Klassengegensätze werden verschärft, statt gemildert.

Noch im Februar hat die Schulpolitik in Hamm einen Dämpfer erhalten, als die Anmeldungszahlen für die Regelschulen bekannt wurden: fast alle konventionellen Schulen haben einen Rückgang zu verbuchen, die Realschule Pelkum, ein parteiideologisch am Bürgerwillen vorbeigepreßtes Projekt, ist kläglich gescheitert, hingegen mußten die Gesamtschulen 141 Kinder abweisen. Da von "bewährtem, dreigliedrigem Schulsystem in Hamm" zu sprechen (FDP), zeugt schon von bemerkenswerter Ignoranz (WA 18.2.2009).

Wäre es nicht an der Zeit, auch in Hamm, für eine Integrative Gesamtschule nach finnischem Vorbild? Und für Integrative Grundschulen? Damit Schule ein Ort ist, an dem gemeinsam gelernt und gelebt werden kann. An dem Heterogenität nicht als Belastung, sondern als Bereicherung verstanden wird. Für die Würde jedes einzelnen!

Grade, klare Menschen
Wärn ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat
Hab'n wir schon zuviel.
(Vierzeiler aus dem Gedicht "Kinder" von Bettina Wegner)